Der Schulhof

"Entschuldigung ...", meinte ich, meinem Blick dem Boden zugewandt. Ich wusste, dass ich zu schnell reagiert hatte. "Eine Eule ist auf uns zugerauscht und ein Mädchen hinterher ... und ... naja, ich handelte einfach instinktiv ..." Erst jetzt fiel mir auf, dass ich immer noch unsichtbar war, also macht ich mich wieder sichtbar. Ich schämte mich dafür. Aber ich wollte nicht, dass ... ach, das war jetzt wauch wieder egal.
Ich sah mich kurz um und bemerkte, dass wir am anderen Ende des Schulhofes waren. Ich war kurz davor mich wieder zu entschuldigen, aber ich konnte es noch zurückhalten.

"Ja, das ist er", stimmte ich Nat zu, als er erwähnte, dass der Kauz süß war. Ich wollte vor ihm nicht weglaufen, hätte ich auch nicht getan, aber das fremde Mädchen war ja dabei gewesen ...
Als Narziss meinte, dass sie wieder zurück zum Unterricht gehen sollten, nickte ich langsam. Da fiel mir ein, dass mein Onkel noch kommen wollte, und das noch vor dem Unterricht! Ganau in diesem Moment, vernahm ich das Klappern der Hufe des Pferdes, das die Kutsche von Mio zog, auf dem Steinboden des Weges. Ich war gut mit unserem Zugtier befreundet, aber auch bei ihr - sie hieß Viola - klappte die Gedankenübertragung nicht. "Ja, aber vorher muss ich noch ein paar Sachen abholen", sagte ich schnell und lief zu meinem Onkel. Dort angekommen begrüßte er mich mit einem Nicken, und stieg aus. Unerwartet umarmte er mich kurz, was er normalerweise noch nie getan hatte, und stellte sich dann wieder vor mich hin.

Narziss blieb wie angewurzelt stehen. Ich fragte mich wieso. Mio riss mich aus meinen Gedanken und meinte: "Ich hab deine Sachen hinten drinnen", er zeigte mit der Hand auf das Heck der Kutsche. So gesagt der Kofferraum, "Und ich hab noch einen speziellen Fotoapparat und ein Handy dabei. Der Apparat kann auch Geister fotografiere, und das Handy ist für den Fall, dass du mich mal anrufen möchtest ..." Er drehte sich um und öffnete den "Kofferraum". Derweilen bedeutete ich Narziss, dass er herkommen konnte. Schließlich war er ja so gesehen mein Freund ... Und ich hatte das Gefühl, dass ich ihm Mio vorstellen sollte und umgekehrt.

Nat stand nun neben mir. Ich konnte verstehen, wieso nicht so dicht, er kannte Mio doch kaum. Mein Onkel drehte sich mit zwei Koffern in der Hand um. Einer war meiner und sah uralt aus, er war mit blassen Blumen geschmückt, die früher viel bunter waren, aber die Farbe verlor den Glanz. In der anderen Hand hielt er sicher den Koffer, wo der Fotoapparat und das Handy drinnen waren.
"Na, was ist mit dir los? Ein strammer Bursche, wie du sollte doch mit einem lauten "Guten Tag" hier antanzen!", meinte er, als wäre ER der Direktor, oder als wäre er ein Offizier beim Militär oder so. "Onkel!", ermahnte ich ihn und fing nun an, an meiner Idee, Mio alles zu erzählen, zu zweifeln. Er stellte die Koffer vor mir ab, aber ich ließ sie erst einmal stehen. "Ähm, Onkel ... das ist Narziss", stellte ich Nat vor, "Und ... Nat, das ist mein Onkel, Mio"

Mio schüttelte Nat die Hand, aber sagte nichts, im Gegensatz zu Nat. Mein Onkel musterte Nat einmal gründlich und dann wandte er sich wieder mir zu. "Und? Was ist denn bei deinem ersten Tag passiert? Hast du schon Freunde gefunden?" Zuerst sagte ich nichts, dann fügte er hinzu, "Natürlich ausgenommen von Narziss." Ich spielte nervös mit einer meiner Haarsträhnen und dachte darüber nach, was ich sagen sollte. Mio musterte ihn schon wieder. Ich seuftze und war mir nun sicher: Mio würde es sicher nicht positiv auffassen, wenn ich ihm sagen würde, das Nat mein Freund war.
Ich blickte Narziss kurz in die Augen und meinte dann: "Der Unterricht fängt bald an ... " Mein Onkel verstand sofort und nickte. Dann beugte er sich zu mir vor und meinte ernst, so leise, dass es vermutlich nciht einmal Nat hören konnte: "Vergiss nicht, dass du schon vergeben bist." So ernst hatte ich ihn noch nie erlebt ...
Dann stieg Mio wieder in die Kutsche ein. "Ich werde dich bald wieder besuchen kommen! Dann musst du mir alles erzählen!" Ich wusste gar nicht, ob das ein Befehl war. Ich nickte, nahm je einen Koffer in eine Hand - die waren nicht einmal so leicht - und blickte der wegfliegenden Kutsche hinterher. Doch seine Worte klangen immer noch in meinen Ohren nach: "Vergiss nicht, dass du schon vergeben bist ..."

Narziss nahm mir sehr zuvorkommend die Koffer ab. Ich hatte nichts dagegen, aber ich wollte ihn doch nicht alles tragen lassen.
Ich schüttelte kurz meinen Kopf und setzte ein Lächeln auf, als Nat mich fragte was los war. "Ach gar nichts ..." Ich wollte ihn damit nicht belasten und vor allem musste ich herausfinden, was Mio damit gemeint hatte. "Dann lass und mal schnell die Sachen in mein Zimmer bringen, bevor der Unterricht noch ohne uns beginnt", sagte ich und nahm Nat dann den Koffer mit dem Apparat darin ab. Doch bevor er losgehen konnte hatte ich den Fotoapparat ausgepackt und sagte: "Lass uns ein Foto von uns machen!" Ich wollte zu gerne wissen, wie ich aussah. Klar nicht weniger anders, als ich noch gelebt hatte, aber trotzdem wollte ich es wissen. Ich stellte den Koffer ab und den Apparat darauf. Er stand gerade so hoch, dass unsere ganzen Körper auf dem Bild oben wären. Als ich den Timer einstellen wollte, wartete ich auf Nats Zusage.

Ich lächelte ebenfalls in die Kamera und KNIPPS war auch schon das Bild gemacht worden. Dann nahm ich die Kamer und packte sie wieder ein. Der Unterricht würde bald beginnen. Ich hatte aber völlig vergessen das Bild anzusehen. So nahm ich den Koffer in meine Hände und ging voraus.

--->Schlafräume der Mädchen